Mahnwache gegen Rassismus, Hass und Hetze

Starke Zeichen vor dem Rathaus

Vertreter aller Stadtrats-Fraktionen standen mit Bürgermeister Mario Dahm auf der Bühne

Vertreter aller Stadtrats-Fraktionen standen mit Bürgermeister Mario Dahm auf der Bühne

Auch der Karneval war gut vertreten

Gute Stimmung für ein buntes Hennef

Viele Demonstranten hatten Plakate und Banner mitgebracht

Rund 2000 Menschen waren gekommen

Klare Botschaften ...

Die "Omas gegen Rechts" waren auch dabei

Bürgermeister Mario Dahm mit den Karnevalsprinzen aus Hennef und Bröl

Bürgermeister Mario Dahm mit den Karnevalsprinzen aus Hennef und Bröl

Spökes machten Mut und gute Stimmung

Spökes machten Mut und gute Stimmung

5202 Stadtgeflüster rockten gegen Rechtsextremismus

5202 Stadtgeflüster rockten gegen Rechtsextremismus

(dmg) Rund 2.500 Menschen aus allen Bereichen der Bevölkerung und aus allen Altersgruppen hatten sich am 30. Januar vor dem Hennefer Rathaus eingefunden, um unter dem Motto "Hennef bleibt bunt“ gegen Rassismus, Hass und Hetze zu demonstrieren. Eine überparteiliche Initiative des Hennefer Stadtrates hatte zu der Demonstration aufgerufen, Bürgermeister Mario Dahm war Schirmherr und Hauptredner - die Rede im Wortlaut findet man unter dem Beitrag. Bei dem spontan organisierten Programm gab es Wortbeiträge und Musik, unter anderem von „5202 Stadtgeflüster“ und „Spökes“. Mit auf der Bühne waren auch Pfarrer Stefan Heinemann von der Evangelischen Kirche und Pastor Christoph Jansen von der Katholischen Kirche, sowie Prinz Jörg IV. von der Ersten Hennefer Karnevals-Gesellschaft und Prinz Jens I. von der Karnevalsgesellschaft "Rot-Weiß Bröl". Die Stadtgesellschaft stellte sich mit der Mahnwache rechtsextremen Ideologien entgegen und setzte ein starkes Signal gegen rechtsextreme Umtriebe. Denn Rechtsextreme erhalten durch perfide Desinformation und das Schüren von Hass Zulauf. Sie sitzen in Parlamenten, organisieren sich, verschieben die Grenzen des demokratischen Diskurses und planen – wie spätestens nach den Enthüllungen rund um das Potsdamer Geheimtreffen klar ist – die menschenverachtende Vertreibung großer Bevölkerungsgruppen aus Deutschland. Alles, was nicht ins völkisch-rassistische Weltbild passt, wird ausgegrenzt und bekämpft. Erst Menschen mit Migrationsgeschichte – und dann? Hennef sagt mit der eindruckvollen Demonstration: "Stopp! Es reicht. Lasst uns gemeinsam ein deutliches Zeichen setzen, dass in unserer Stadt kein Platz ist für Rechtsextremismus, Rassismus, Nationalismus, Ausgrenzung und Hass."

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Mahnwache „Hennef bleibt bunt“, 30. Januar 2024
Rede von Bürgermeister Mario Dahm

(Es gilt das gesprochene Wort.)

Jetzt ist etwas passiert, was nicht so oft passiert: ich bin sprachlos, dass so viele gekommen sind. Danke, dass ihr alle heute gekommen seid, um zu zeigen: Hennef hat den Rechtspopulismus satt.

Wir stellen uns gegen Rassismus, Antisemitismus, gegen Hetze, Hass und Ausgrenzung. Unsere Stadt bleibt vielfältig, demokratisch und bunt. Für dieses Zeichen ist es höchste Zeit. Denn nach den jüngsten Enthüllungen muss es auch dem letzten klar sein, dass sich Rechtsextreme in diesem Land formieren. Sie organisieren sich und finden den Weg in die Parlamente. Sie hetzen mit Lügen und Feindbildern unsere Gesellschaft auf. Sie deuten Begriffe um und entwickeln Programme, die das Ende unserer demokratischen und offenen Gesellschaft zum Ziel haben.

Was dort als „Remigration“ geframed wird, das ist nichts anderes als die menschenverachtende Deportation von Millionen von Menschen aus unserem Land. Und es ist schlimm, dass wir es im Jahr 2024 noch sagen müssen. Doch wir sagen es unseren Freunden, Nachbarn und Kollegen mit internationalen Wurzeln, egal ob sie seit Generationen, vielen Jahren oder wenigen Tagen hier sind: Ihr seid ein Teil von uns und ihr seid hier sicher, weil die Mehrheit das will.

Deswegen stehen wir heute hier. Deswegen stehen wir auf gegen völkische Ideologie. Nicht die völkischen Spinner sind die Mehrheit, wir hier sind die Mehrheit und sagen: Stopp! Keinen Millimeter weiter nach rechts. Wir lassen es nicht zu, dass Rechtsextreme entscheiden, wer dazu gehört und wer nicht. Wer die „richtigen Gene“ oder vermeintlich „deutsches Blut“ hat. Denn Blut ist immer rot. Es unterscheidet sich nicht in Nationalitäten oder Religionen. Spätestens jetzt ist klar: Unsere Demokratie, unsere Freiheit und unsere Art zu leben sind in Gefahr. Und deshalb stehen wir auf, in Hennef, wie in vielen, vielen anderen Städten. Wir dürfen dabei nicht naiv sein und auf die immer gleichen Mechanismen der Demokratiefeinde reinfallen, die sich bei Widerspruch zum missverstandenen Opfer stilisieren.

Es ist immer das gleiche Muster: Erst wird etwas gesagt oder getan. Dann wird dementiert und geleugnet, schließlich sei alles nicht so gemeint. Doch! Das ist es. Und mit jeder neuen Runde wird die Grenze des Sagbaren weiter verschoben, genau dahin, wo man mit dieser Gesellschaft hin möchte.

Mit Faschisten kann man nicht diskutieren. Aber mit denen, die sich verführen lassen, müssen wir diskutieren. Wir müssen wieder ins Gespräch kommen. Wir müssen aufklären und konfrontieren.

Wie sähe dieses Land aus, dass sich die Rechtsextremen erträumen? Machen wir ein kleines Gedankenexperiment des Schreckens. Die Deportationsfantasien sind das erste. Schaut euch mal rechts und links um. Wer wird noch da stehen, wenn die Pläne verwirklicht werden? Wer ist denn deutsch genug, um bleiben zu dürfen? Und wer legt das fest? Plötzlich packen die Nachbarn mit den Kindern von gegenüber eilig Koffer und kommen nicht wieder. Schade, denn die Frau hat in der Kita gearbeitet, die jetzt im Notbetrieb ist. Und der Mann war Dein neuer Kollege, dessen Aufgaben Du jetzt auch noch mitmachen darfst. Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, sähen in einem solchen Land nur noch kalte Schultern und tödlichen Stacheldraht. Was interessiert Rechtsextreme denn schon das Grundgesetz?

Was, wenn das alles dann nur der Anfang ist? Wer gehört als nächstes nicht mehr dazu? Vielleicht Menschen mit einem Handicap? Was ist, wenn das Kind mit Behinderung in der Klasse plötzlich nicht mehr die Schule besuchen soll? Was ist mit allen, deren Identität, deren Art zu leben, nicht in das gruselige Bild passt, was der neue Zeitgeist als „normal“ vorgibt? Lebte da nicht früher ein glückliches Kind in der Wohnung mit dem gleichgeschlechtlichen Ehepaar, das letzten Monat die Nachricht von der Annullierung seiner Ehe erhielt? Aber Hauptsache in der Behörde wird nicht mehr gegendert… Und was ist mit denen, die politisch im neuen Zeitgeist nicht genehm sind? Die anprangern und widersprechen. Die stören doch auch, die gehören auch nicht mehr dazu. Ich gehöre einer Partei an, die schon mehrfach verboten und verfolgt wurde. Im Kaiserreich, im Dritten Reich, in der DDR.

Und was macht man dann mit denen, die nicht mehr dazugehören?

Ich lasse das mal als Frage stehen, weil mir die Antwort Angst macht.

Rechtspopulisten nutzen demokratische Strukturen, um die Demokratie auszuhöhlen. Es gibt unzählige Beispiele dafür. Und so wie sie die Demokratie zerstören, zersetzen sie auch den Zusammenhalt, enthemmen den Diskurs: Wir gegen die. Für schwierige Fragen sucht man plumpe Antworten. Verantwortung schiebt man Sündenböcken zu, die man dem hemmungslosen Hass aussetzt. Und aus bösen Worten werden schnell schlimme Taten. Das Land, dass diese rechten Netzwerke wollen, ist kein Land der Zukunft. Es ist ein Land der Vergangenheit, verbohrt, geistig verengt, ungerecht und bevormundend, selbstzerstörerisch und voll Ungleichheit.

Rechtspopulisten vernetzen sich international. Sie hudligen Trump, treiben uns zurück in die Abhängigkeit von Putins Russland und zerstören die Institutionen, die uns seit Jahrzehnten den Frieden in Europa sichern. Die Europawahl im Juni wird eine ganz wichtige Wahl werden. Wir müssen Europa verteidigen gegen die Rechtspopulisten in allen Ländern. Und das gelingt am besten, indem alle zur Wahl gehen. Denn wenn viele abstimmen, haben es Populisten schwerer.

Wir können hier einen Punkt machen. Wir müssen es nicht bis zum Ende denken, um zu wissen, dass es fünf vor zwölf ist. Es geht nicht um kleine Veränderungen und gewöhnliche demokratische Auseinandersetzungen. Es geht um einen Systemwechsel.

Es hieß immer: Wehret den Anfängen. Doch die Anfänge sind längst vorbei.

Schauen wir auf die Landtagswahlen in diesem Jahr in den ostdeutschen Bundesländern und damit auf den parlamentarischen Arm des Rechtspopulismus in Deutschland. Die sogenannte „AfD“, die an entscheidenden Stellen als gesichert rechtsextrem gilt, die Teil dieser rechten Netzwerke ist, deren führende Köpfe offen völkisch-rassistisch sind und die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die Tatsache, dass eine Partei bei demokratischen Wahlen antritt, macht sie dabei noch lange nicht zu einer demokratischen Partei.

Wenn die „AfD“ die Antworten haben soll, wie dumm muss dann die Frage gewesen sein? Nichts wird besser mit der „AfD“. Ich habe es gerade umrissen, wohin das alles führen würde. Das ist keine „Alternative für Deutschland“.

„AfD“, das bedeutet dann:

  • Ausländerfeindlichkeit für Deutschland
  • Abschottung für Deutschland
  • Ausgrenzung für Deutschland
  • Abhängigkeit für Deutschland

Und das wiederum:

  • Abschwung für Deutschland
  • Arbeitslosigkeit für Deutschland
  • Armut für Deutschland

Ich sag nur, „AfD“, das bedeutet:

  • Abgrund für Deutschland.

Natürlich macht die Politik nicht immer alles richtig. Auch ich persönlich mache nicht alles richtig. Wer macht das schon in Zeiten wie unseren? Demokratie ist anstrengend und kostet nerven. Ich weiß, wovon ich spreche. Aber es gibt nichts Besseres. Wir brauchen deshalb den Einsatz und das Herzblut für die Demokratie. Und wir müssen aufpassen, wohin sich unsere Gesellschaft entwickelt.

Ich möchte aus einem Brief zitieren, der heute an mich geschickt wurde. Darin wird mir als Bürgermeister offen Gewalt angedroht, weil der Stadtrat die Hundesteuer in Hennef im Standardfall um zwei Euro im Monat erhöht hat.

„Es ist bestimmt kein gutes Gefühl, immer zu denken, dass Dir jemand an irgendeiner Hausecke, in der Tiefgarage oder hinter jedem Strauch, ob zuhause oder in der Stadt, auflauert und ein „persönliches Gespräch“, das im Krankenhaus endet, sucht. Gerade jetzt in der Karnevalszeit ist es besonders gefährlich.“

Das passiert, hier in Hennef. Die völlige Enthemmung schreitet voran. Wir müssen aufpassen, wo unsere Demokratie hinsteuert. Ich lasse mich jedenfalls nicht einschüchtern und ich bitte euch, lasst auch ihr euch nicht einschüchtern.

Vieles ist schwierig, aber nicht alles ist schlecht. Wir müssen wieder lernen, auch schwierige Situationen auszuhalten und bei Verstand zu bleiben. Wir müssen wieder Zuversicht lernen. Und deshalb ist auch klar: Rechtsextrem wählen, ist kein legitimer Akt des Protestes. Es gibt keinen guten Grund, rechtsextrem zu wählen, außer man ist rechtsextrem. Es kann keine Toleranz für Intoleranz geben. Eine Demokratie muss viele Meinungen aushalten, aber sie muss wehrhaft sein und darf ihre Abschaffung nicht tatenlos zusehen.

Es gibt Grenzen und es gibt Spielregeln. Oberste Spielregel ist unser Grundgesetz. Und darin steht ein ganz schlauer Satz ganz am Anfang: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist unsere Geschäftsgrundlage. Wer das nicht akzeptiert, der ist kein Demokrat, der ist ein Gegner unserer Demokratie. Lasst uns zusammen der stärkste Verfassungsschutz sein, den es gibt.

Wir kommen heute an einem besonderen Tag zusammen. Heute vor 91 Jahren haben in diesem Land die Nationalsozialisten die Macht übernommen, obwohl sie gar keine Mehrheit hatten. Was mit Fackelmärschen vor dem Brandenburger Tor begann, endete nur wenige Jahre später im schlimmsten Menschheitsverbrechen. Die Stolpersteine in unsere Straßen erinnern an die ermordeten Bürger unserer Stadt. Es geht nicht darum, das, was gewesen ist, durch Parallelen ins Heute zu relativieren. Aber was gewesen ist, das kann immer wieder sein.

Wir kennen die Opfer von damals nicht mehr persönlich. Aber wir kennen die, die morgen Opfer sein könnten. Und auch damals hat es nicht mit der brennenden Synagoge in Geistingen angefangen. Nicht mit Deportation, Krieg und Völkermord. Aber da ist es geendet.

Und da ist es auch geendet, wegen der Mitläufer und der Gleichgültigen. Die erste Demokratie in diesem Land, die Weimarer Republik ist nicht untergegangen, weil ihre Feinde so stark, sondern weil ihre Anhänger zu schwach, zu leise waren. Lasst uns das eine Mahnung sein. Gleichgültigkeit ist Demokratiegefährdung durch Unterlassen. Und deshalb gilt: wenn die Zeitzeugen mit den Jahrzehnten verstummen, müssen wir, die nachfolgenden Generationen, umso lauter werden. Der Unterschied zwischen damals und heute, das sind wir. Wir haben jetzt die Gelegenheit herausfinden, was wir anstelle unserer Großeltern und Urgroßeltern getan hätten.

Mich hat ein Satz der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer dieser Tage tief betroffen gemacht. Sie sagte: „Ich hätte nie gedacht, dass es wieder so kommen würde. Denn so hat es ja damals auch angefangen.“ Dieser Satz muss unser Auftrag sein. Er nimmt uns in die Verantwortung und ich bin froh, dass so viele heute durch ihre Teilnahme diese Verantwortung annehmen. Nie wieder, das ist jetzt.

Hier steht die demokratische Mitte unserer Gesellschaft, die endlich aufsteht, die heute ein eindeutiges Zeichen sendet.

Vielfalt ist stärker als Einfalt.

Solidarität ist stärker als Ausgrenzung

Demokratie ist stärker als Faschismus.

Zusammenhalt ist stärker als Hass.

Wir sind stärker. Wir sind Hennef.

Danke, dass ihr mir zugehört habt und dass ihr heute hier seid.